NEUE REISEBERICHTE

02.Juli - 24.September 2001
aktuelle Reiseberichte aus China und Vietnam

  Zugfahrkarte von Xian nach Peking-West Zugfahrkarte von Panzhihua nach Emeishan


Im ¨ıbrigen war ich Anfang August Ehrengast auf einer Hochzeit in S¨ıd-China. Aktuelles dazu findet ihr im Bereich 03. - 10. August. wie eine Hochzeit in China so abläuft...

R E I S E B E R I C H T E   -   J E D E N   T A G   N E U
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Name: 15 Stunden nach Taiyuan

Datum: Samstag, 14 Juli, 2001 um 17:11:49
Kommentar:
Abschied von Baotou nahm ich gestern Nachmittag. Meine nächste Station sollte Luoyang sein, von dort aus möchte ich das Shaolin Kloster besuchen. Es ist aber ein langer Weg bis dahin: Von Baotou gibt es keine direkte Verbindung nach Luoyang. So teilte ich meine Route in 3 Abschnitte auf: Der erste war wohl der leichteste. Ich weiß nicht was mich in Luoyang erwartet... Ich wählte also Taiyuan als Zwischenstation aus. Ich besorgte mir abermals, mit viel Mühe, ein Ticket für den Nachtzug, hatte dann noch etwas Zeit und ging etwas essen. Dann machte ich mich auf den Weg zum Zug. Als ich in der Wartehalle eintreffe, ist die Sache klar - ich bin wieder mal der einzigste "Fremde", was bedeutete, dass ich niemanden zum Unterhalten haben und somit viel Zeit zum Schreiben haben werde, aber auch, dass mir die Chinesen wiedereinmal langweilige Fragen stellen würden, solche die ich nur mit Händen und Füssen beantworten kann. In der Wartehalle erwartet mich, wie jedes Mal und in jeder Wartehalle, das selbe Bild - ein total überfüllter Saal, so groß wie Breite und Länge eines halben Fußballfeldes. Gefüllt mit Hartschalensitzen aus Plastik, 40 in einer Reihe, aber Reihe an Reihe. Auf Grund der hohen Einwohnerzahl ist hier eben alles ein wenig größer. Die Sitze sind gefüllt mit wartenden Menschen, Reihe um Reihe, kaum wird ein Platz frei, unternehmen gleich mehrere den Versuch diesen zu besetzen. Unzählige "freie Verkäufer" versuchen die für gewöhnlich ungenießbaren roten Würste (die nach Fisch riechen und komisch schmecken), hartgebrannte aber eigenartig verbrannte Nüsse, Mandeln, Sonnenblumenkerne..., viel zu süße Brötchen, langweiligaussehende Spielzeuge, Wein, Bier und Wasserflaschen (welche zwar eisgekühlt aber komplett gefroren sind und im Laufe der Zeit auftauen und so nur Stück für Stück etwas kaltes Wasser hergeben, welches dann meine trockene Kehle befeuchtet), an den Mann bzw. den Chinesen zu bringen. Verführerisch aufgestellte Spucknäpfe werden von den meisten ignoriert ( sie spucken dann weiterhin auf den Boden). Ein besorgter Vater hält seinen Schützling so auf seinem Arm, dass er durch seine "nützlichen" Schlitzhosen sein Pipi machen kann. Ständig hört man ein Jauchzen, dann ein Krächtzen und dann einen Flupp. Gemeint ist das hervorziehen von dicker Spucke aus tiefsten Regionen der Lunge, dass Ausstoßen dieser und schließlich das Aufschlagen dieser auf dem Boden. Ich habe mich zwar daran gewöhnt, aber wenn es genau neben mir passiert, kann ich nicht mehr atmen. Den Platz wechseln bringt gar nichts - es erwartet dich einfach überall. Etwa 800 Menschen warten. Ich auch. 15:24 fährt der Zug ein, 15:44 ab. Es ist 15:25. Die Leute drängeln sich am Eingang der Gleishalle, um sich einen der wenigen Sitzplätze zu ergattern. Aus einem riesigen dicken Knäul werden allmählich 5 Reihen, bedingt durch dicke Eisengeländer, die aus dem Boden ragen und viel Personal. Gedränge. Geschiebe. Ich mittendrin. Als ich die Wartehalle verlassen habe, stehe ich vor einem GIGANTEN von Zug. Ich habe ein Bett(Holzpritsche) in Wagon Nr.4, stehe aber vor Wagon Nr.21. Soweit ich kucken kann, sehe ich nur Wagons, Menschen die vor denen anstehen und zu Verkaufständen umgebaute Fahrräder, die von Wasser über diese roten Würste bis zu Teigwaren alles verkaufen. Nach langem Marsch zu Nr.4 gehe ich in diesen und kann endlich meinen schweren Rucksack absetzen. Ich habe Abteil 6 zhong(Mitte). Ein Abteil besteht immer aus Zweien, also 5 und 6 sind zusammen mit je 3 Betten übereinander. Die Mitte ist immer das Beste, da tagsüber in der Unteren die Leute von der Mitte und von oben sitzen, und in der Nacht das Obere viel zu warm ist. Längst zu den Pritschen ist der Gang mit je einer Sitzmöglichkeit pro Abteil, die ich gerade in Anspruch nehme, um mein Reisetagebuch zu schreiben. Es ist so eng, dass ich ständig meine Beine umpositionieren muss, wenn jemand durch den Gang kommt - ich komme kaum zum schreiben. Eineinhalb Stunden sind vorbei, ich lese jetzt einen englischen Roman ("Bound for Vietnam"). Plötzlich klopft mir jemand aufs Knie und sagt "Hello". Ich kenne diese Situation: Dieser Herr kannte sich im Englischen ein "wenig" aus und wusste zufälligerweiße das Wort "hello", was er mir unbedingt mitteilen musste. Gute Miene machend, erwiderte ich auf Chinesisch. Im Gang ist jetzt arges Begängnis, denn das Wasser ist jetzt heiß (welches von einem kohlebeheizten Ofen am Wagonende erhitzt wird). Die Leute rennen mit den Thermoskannen (2 Stück pro Abteil) hin und her, um sie zu füllen. WOZU BRAUCHT MAN HIER KOCHENDHEISSES WASSER?? - Trockennudeln aus dem Pappbecher, sind hier zur Zeit der absolute Verkaufsschlager. Alle Fenster sind weit geöffnet - es zieht wie atze. 10 Uhr abends geht das Licht aus und die Fenster werden endlich geschlossen. Da ich mich aber gerade auf dem Klo befinde, muss ich mich in der nächtlichen Dunkelheit vorsichtig zurücktasten. Ich habe es zu meinem Abtei, der Nummer 6 "Mitte" geschafft und liege jetzt. Die Schienenstöße spürt man hier deutlich, wenn man liegt... - ...ich schlafe ein - tief und fest.

...........................schrrrrrr.................. Plötzlich spüre ich wie mich jemand am Bein packt, ich schnalle hoch und siehe da.........es ist bereits Morgen und der Schaffner hat mich am Bein geweckt, denn es ist Zeit auszusteigen. 6:55 bin ich in Taiyuan angekommen. Gleich am Bahnhof versuche ich die Weiterfahrt nach Luoyang am selben Tag zu bekommen - Fehlanzeige -- ausgebucht. "Ming tian" (morgen?) frage ich. Wow, ich ergatterte den letzten Schlafplatz, 18:50 geht's los - abermals 15 Stunden. Tja, jetzt sitz ich wohl erst mal fast 2 Tage in Taiyuan fest. Macht auch nichts - kurzerhand entschloss ich mich mal eben schnell mit dem Zug 2 Stunden Richtung Norden zurückzufahren, nach Pingyao. Das Gepäck lasse ich hier im Bahnhof. Pingyao ist eine sehr alte Kleinstadt (479 v Chr.) mit einer interessanten typisch Chinesischen Stadtmauer rundherum. Ich treffe 12:00 Uhr ein. Für 6 Stunden genieße ich dieses einmalige Flair. 2 Dia-Filme (a 36) habe ich hier verschossen, um euch zuhause alles zu berichten(ab März 2002 gibt's Dia-Vorträge!). Der letzte Zug fuhr 4:41 - den hab ich wohl verpasst! - muss ich eben mit dem Bus zurück nach Taiyuan fahren. So jetzt ist es aber Zeit (23:15) ein Hotel zu suchen....

Markus Polo